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Die Wirklichkeit
Beginnen will ich mit der Frage: Gibt es Objektivität ohne Subjektivität?
Wenn man ein Objekt betrachtet und analysiert, dann legt man automatisch seine eigene Sichtweise zugrunde. Die eigene Wahrnehmung wurde in der Entwicklung eines jedes Menschen individuell geprägt. Das, was man und wie man es wahrnimmt, ist die entscheidende Komponente. Also ist unsere Wahrnehmung generell empirisch ausgelegt und hier sind die unterschiedlichen Erscheinungen und Auslegungen bereits vorprogrammiert. Das Objekt, das man einer Analyse unterziehen will, wird somit zu einem Objekt unserer sinnlichen Begierde. Das Objekt, das in der Realität als eigenständiges Ding vorhanden ist, wird durch unser Zutun (als Ausdruck des Subjekts) ein Teil unserer Wirklichkeit. Dadurch wird es für uns seiner ursprünglichen Eigenschaft enthoben und bekommt einen neuen Wirkungsfaktor, der eine Annäherung an unsere persönliche Vorstellungskraft ermöglicht. Der Abstand zwischen der Realität und der Wirklichkeit wird somit transparent und trägt den Stempel eines jeden in sich.
Allerdings zeichnet sich die Unvollkommenheit in dieser These ab, denn wenn man über ein Objekt reflektiert, das man nicht kennt, also ein Objekt, das sich der Erfahrung gänzlich entzieht, dann dürfte man es auch nicht analysieren können. Meines Erachtens teilt sich das Objekt von sich aus mit, das heißt, es überträgt auf irgend einem Weg seine grundsätzlichen Eigenschaften auf den Beobachter. Somit ist ein grundsätzliches Verständnis in jedem Objekt vorhanden, dieses Verständnis scheint seine Essenz auf das Unterbewusstsein zu übertragen oder das Unterbewusstsein kennt seine Essenz bereits und lässt unseren Intellekt nur nicht daran teilhaben. Wenn das Erste zutreffen würde, dann wäre dies die Bestätigung der alles übergreifenden energetischen Verbindungen. Wenn allerdings das Zweite zutreffen würde, dann würde die „Selbstlüge“ eine ganz neue Bedeutung bekommen, denn dann wäre jedes Wissen bereits in uns vorhanden. Was meinen Sie? Ist es das Erste oder das Zweite? Ich weiß, dass diese Frage nicht so einfach zu beantworten ist, darum werden wir ihr zusammen auf den Grund gehen. Wenn das Erste zutrifft, dann wären die alles durchfließenden und übergreifenden energetischen Verbindungen bestätigt. Wenn das Zweite zutreffen würde, dann wäre das Göttliche in uns bestätigt, denn alles Wissen wäre bereits in uns vorhanden und wir hätten nur die Hürde der Vergessenheit auf uns genommen. Natürlich können Sie auch sagen, dass beides nicht der Wahrheit entspricht, aber dann wäre es für Sie unnötig, hier weiterzulesen. Eine weitere Möglichkeit ist, dass beides der Wahrheit entspricht. Genau daran will ich anknüpfen, beides ist wahr!
Wenn das Erste zutrifft, dann ist alles miteinander verbunden; das würde bedeuten, dass alles auf einer energetischen Ebene miteinander kommuniziert. Diese Kommunikation setzt voraus, dass alles, was in irgend einer „Form“ existiert, eine gemeinsame Schnittstelle hat. Da diese Schnittstelle tief verborgen im Unterbewusstsein liegt, ist sie unserem Intellekt nicht direkt zugänglich. Aber dennoch ist sie vorhanden und ermöglicht uns den Zugang zu jedem nur erdenklichen Wissen. Hier knüpft das Erste an das Zweite an, denn ein Wissen, das sich aus einer uns unbekannten Quelle in uns ergießt, muss in seiner letzten Konsequenz schon vorhanden sein. Nur der Weg zu diesem Wissen ist in Vergessenheit geraten. Die Schnittstelle ist dann nur der Punkt der Vergessenheit, durch den uns alles zufließt, was wir benötigen. Im allgemeinen Sprachgebrauch nennt man diesen Zugang Intuition, ein Wissen, das nicht in der Erfahrung gründet und daher nicht empirisch daherkommt. Ich entziehe das intuitive Wahrnehmen bewusst der empirischen Sichtweise, denn der Verstand kann diese Art der Kommunikation nicht in seiner Ganzheit erfassen.
Also kann man die Realität auf das reine Vorhandensein eines Objektes beziehen und die Wirklichkeit als eine wahrgenommene Realität bezeichnen. In die Wirklichkeit fließt die eigene Erwartungshaltung mit ein, aus diesem Grund lebt jeder einzelne in seiner eigenen Wirklichkeit („Welt“). Es sind die unterschiedlichen Prozesse, die in einem Wahrnehmenden ablaufen. Wenn jemand z.B. Angst vor schnell fahrenden Automobilen hat, dann wird er bei dem Anblick eines solchen an die Gefahren denken und seine gesamte Wahrnehmung wird davon dominiert. Ein begeisterter Rennfahrer wird wohl an das gute Gefühl denken, das er beim schnellen Fahren hat und seine gesamte Wahrnehmung richtet sich danach aus. Der gleiche Anblick kann bei dem einen ein Gefühl der Angst und Besorgnis auslösen und bei dem anderem ein Gefühl der Freude und Freiheit.
Dort, wo die Realität endet, beginnt die Wirklichkeit, wo die Wirklichkeit endet, beginnt die Realität. Diesen Kreislauf muss man kausal sehen, denn nur so kann man erkennen, dass man sich „Ebene“ um „Ebene“ weiter hangelt, um das Spiel der Wahrnehmung immer wieder von neuem zu starten. So ändert sich die Wirklichkeit immer weiter, bis sie sich etwas nähert, das man von seinem kausalen Ursprung als die reine Realität bezeichnen kann. Allerdings muss man bedenken, dass jede Wirklichkeit ihre Art der Wahrnehmung für real hält, da sie sonst für sich selbst nicht haltbar wäre. Dieses Paradoxon ist nicht lösbar, weil dafür keine Lösung vorgesehen ist, es wäre auch ziemlich langweilig, wenn alle gleich wären und über das gleiche Wissen verfügen würden.
Wir sind jetzt an dem Punkt angelangt, wo man die Realität und die Wirklichkeit klar trennen kann. Die Realität ist immer in der Wirklichkeit enthalten, aber umgekehrt ist dies nicht der Fall. Da es so viele Wirklichkeiten wie Menschen gibt, stellt sich die Frage, ob denn die Realität in jeder Wirklichkeit enthalten sein muss? Ich denke, dass diese Frage nicht „wirklich“ zu beantworten ist, denn die Realität wird immer aus der eigenen Wirklichkeit heraus bewertet oder festgestellt. Man kann zwar feststellen, dass etwas vorhanden ist und somit real erscheint, aber ob sich diese vermeintliche Realität jedem absolut gleich darstellt, das kann man nicht beantworten. A priori kann man nur sagen, dass die vorhandene Masse für jedes Wesen, das ebenfalls eine Masse hat, real sein muss. Denn hier treffen Energien in ähnlichen Dichten aufeinander und diese müssen sich zumindest aneinander reiben, wenn sie zusammentreffen. Alles, was man durch Berührung erfühlen kann, muss auch in irgendeiner Form real vorhanden sein.
Die Wirklichkeit ist ein relativer Zustand der Realität, er relativiert sich durch unser Zutun. Dadurch ist die Wirklichkeit allerdings nicht weniger real, als die Realität allein gesehen. Denn ob sich das, was man als Realität bezeichnet, selbst als real sehen kann, ist nicht sicher, es ist sogar sehr unsicher. Denn alles, was sich selbst betrachtet, bringt den Ausdruck des Subjektes mit ins Spiel und somit beginnen die Grenzen der Unschärfe wieder zu wachsen. Man sollte sich damit abfinden, dass die Wirklichkeit ein immer realer Spiegel der Realität ist, nur so hat man die Chance hinter den Spiegel zu schauen und seine Wirklichkeit in die Richtung der A priori Realität zu bringen. Jetzt stellt sich die Frage, ob es denn überhaupt sinnvoll ist, die ursprüngliche Realität erkennen zu wollen. Die Wirklichkeit würde sofort damit beginnen, sich aufzulösen und dies stellt plötzlich ganz neue Anforderungen an das Dasein, es gibt dann kein zurück mehr. Die „Welt“, wie sie vorher war, ist nicht mehr vorhanden und will durch eine neue ersetzt werden. Ob diese neue „Welt“ nun die A priori Realität darstellt, oder ein fiktives Gedankengebäude ist, spielt dabei keine Rolle. Unser Bewusstsein benötigt auf jeden Fall seine Fixpunkte, denn nur so ist es ihm möglich, sicher in seiner „Welt“ zu navigieren. Die Sicherheit ist es, die wir uns so sehr wünschen und die wir anscheinend so dringend benötigen; in den Räumen der Sicherheit können wir unsere Ängste einsperren und ihnen damit den Zugriff auf uns vermeintlich verwehren.
Die Ängste sind ein wichtiger Faktor bei der Erstellung unserer Gebäude der Wirklichkeit. Sie sind die Stützbalken unserer eigenen Realität (Wirklichkeit). Wenn man sie entfernt, gerät unser Gebäude ins Wanken, bis es dann schließlich irgendwann in sich zusammenbricht. Die Angst vor der Angst ist die fiktive Triebfeder, die uns glauben lässt, dass wir unseren Weg der Sicherheit weiter gehen müssen. Wir vertrauen dieser angeblichen Sicherheit, ohne sie zu hinterfragen, denn hinter der Sicherheit lauern bereits unsere Ängste, denen wir naturgemäß aus dem Wege gehen. Somit wird unsere Wirklichkeit mehr oder weniger durch unsere Ängste kreiert. Die Wege, die wir gehen, sind fast immer die vermeintlich leichtesten, das heißt, dass wir unseren Ängsten aus dem Weg gehen und sie können so unseren Weg vorzeichnen. Wir gehen also keinen Weg, der uns zu etwas hinzieht, sondern einen, der uns von etwas abstößt. Erst das Loslassen unserer Ängste bringt eine gewisse Freiheit des Lebens mit sich, das sich nun in ganz andere Richtungen entfalten kann. Die Wirklichkeit ändert sich nun in einem Maß, das außerhalb der Vorstellungskraft liegt. Man könnte sagen, dass man von einer dunklen, kleinen Kellerwohnung in ein sonnendurchflutetes, großzügiges Anwesen zieht. Es macht auf jeden Fall Sinn, über einen solchen Umzug nachzudenken; es ist nur eine Frage des Willens und des Handelns, es reicht absolut nicht, den Weg nur zu kennen, man muss ihn einfach nur gehen und schon hat man sein Ziel erreicht.
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